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Du betrachtest gerade Die umfassenden Folgen des Terrors

Einen erschütternden Vortrag erlebten rund 200 Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs, als sie im Rahmen des Engagements “Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage” am 27.08.24 in die Aula der Schule kamen. 

Um die menschenverachtende Brutalität des Nationalsozialistischen Untergrunds NSU zu erklären, fasste Gamze Kubaşık als Tochter eines Ermordeten im Gespräch mit Ali Şirin zusammen, welche Folgen der rechte Terror für ihre Familie und andere Opferfamilien hatte. 

Dabei war ihr Leben nach der politisch, nicht wirtschaftlich begründeten Flucht aus der Türkei in den 1990ern unauffällig verlaufen, weitere Geschwister bereicherten die Familie noch in den nächsten Jahren. Mehmet Kubaşık musste als Famileinvater sein Geschäft neu erfinden, konnte Frau und Kinder aber mit einem Kiosk über Wasser halten und auf die Zukunft bauen. 

Der rechtsextreme Terror traf die Familie dann mit voller Wucht am 04.04.2006, als Mehmet Kubaşık mit mehreren Schüssen getötet wurde, die Schilderung der ersten Eindrücke beim Eintreffen am Tatort, die Wahrnehmung des Schmerzes der Mutter, alles konnte Gamze Kubaşık im Detail schildern. Trotz des unfassbaren Verlustes verschlimmerte sich die Situation der Familie aber noch weiter, weil die Ermittlungen keinen Hinweis auf die rechten Hintergründe verfolgten, stattdessen Gerüchte über verbrecherische Geschäfte und persönliche Abgründe gestreut wurden, die zur weiteren Ausgrenzung der Familie führten. Zusammengefasst als “Anschlag nach dem Anschlag” entwickelte sich eine immer schlimmere Abwärtsspirale für die Familie, so dass beispielsweise Gamze Kubaşık ein ganzes Jahr lang nicht mehr vor die Haustür gehen konnte, um Verleumdungen und Angriffe durch andere zu vermeiden. 

Erst Jahre später, als nach einem verunglückten Banküberfall und dem Tod von zwei der drei Kernmitglieder des NSU die rechte Terrorzelle überhaupt erst aufgefallen ist, wurde die Haltlosigkeit der vorschnellen Anschuldigungen deutlich und die Familie, die noch immer den Verlust des Vaters zu beklagen hatte, rehabilitiert. 

Doch auch der Prozess, der gegen die Drahtzieher und Hintermänner des NSU über Jahre geführt wurde, konnte den Schmerz nicht vollständig kompensieren. Immerhin begründete er aber für Gamze Kubaşık eine wichtige Erkenntnis: Sie wollte nicht auch zu jemandem werden, der nur noch Hass empfinden und ausstrahlen kann. Bei aller Mischung von Wut und Trauer habe sie sich zur Aufgabe gemacht, über die Folgen des rechten Terrors aufzuklären und jede Chance zu ergreifen, für das Gute zu kämpfen. Die mitgenommenen Gesichter der Zuhörerinnen und Zuhörer zeigten, wie gut ihr das im Berufskolleg gelungen war.